Museum und Zentrum für zeitgenössische Kunst Córdoba
Top Story

Schüsselreiz

Fassade und Display abseits der Norm: das Museum und Zentrum für zeitgenössische Kunst (C3A) in Córdoba/ES.

Keine ultrahohe Superauflösung, keine zigtausend eng aneinander gereihten Pixel, keine schier endlosen Datensätze, kein striktes Anordnungsraster – das Display des C3A ist gänzlich anders als seine supertechnologischen Geschwister in Smartphones, Tablets, Laptops oder Fernseher. Es belastet uns nicht mit blauem Licht, ist nicht permanent angeschaltet,
um uns mit irgendetwas zu bespaßen, muss nicht vor Sonnenlicht geschützt werden und es ist vor allen Dingen unscheinbar. Zugegeben, es handelt sich nicht um ein Display im klassischen Sinn, sondern um eine Licht- und Medieninstallation in der Außenfassade des Gebäudes. Trotz des Andersseins stecken hinter all dem aber ein ausgeklügeltes System sowie eine effektive, enge Zusammenarbeit zwischen Gebäudearchitekten und Display-Designern. Das Gebäude, so wie es designt und genutzt wird, und seine Geometrie bieten zunächst

Software gesteuerten Medienaußenfassade haben ihren Ursprung besonders im Interieur. Dort sind Räume polygonal gestaltet und mosaikartig angeordnet. Die Wände bestehen aus schwerem Beton, der die Kanten und somit die Anordnung schärfer zeichnet; im Kontrast wurden stellenweise helleres Holz als Verkleidung und Glasflächen, um Licht vermehrt durch die Räume scheinen zu lassen, verwendet. Die Formen des Interieurs ziehen die Decke nach unten, wodurch – von außen, zumindest von oben sichtbar – Schüsseln entstehen. Und aus genau diesen Schüsselformen bestehen auch die einzelnen "Pixel" der Außenfassade. Zudem handelt es sich um ein modernes Medienkunstzentrum und -museum. Ein Ort, an dem Kunst geteilt, fühl- und erlebbar gemacht wird, an dem Menschen zusammenkommen, Dialoge führen, lernen, sich bilden und informieren – ideal also, um ein solches Informations- und Kommunikationsdisplay zu installieren und wirken zu lassen.

In unregelmäßiger Anordnung überziehen die schüsselartigen, hexagonal geformten Vertiefungen die 100 Meter lange Fassade. Innerhalb dieser 1319 Vertiefungen in drei verschiedenen Maßstäben sind seitlich weiße, in der Helligkeit steuerbare LEDs montiert, wodurch sie zu weithin sichtbaren Reflektoren sowie vielen einzelnen "Pixeln" und der architektonische Körper insgesamt zu einem überdimensionalen niedrigauflösenden Graustufendisplay werden. Eine sortierte Anordnung der Schüsseln ist im Vergleich zu hochtechnischen Bildschirmen nicht erkennbar.

Alles wirkt für den Betrachter in Größe und Ordnung unregelmäßig doch ästhetisch. Aber: die Anzahl der Schüsseln, wie sie gedreht sind, von wo sie beleuchtet werden oder wo sie ihren Platz in der Anordnung auf der Fassade haben, sind festgelegt. Die gesamte Fläche ist in Teilbereiche gegliedert, in denen die Verwendung bestimmter "Pixel", deren Bezug zueinander sowie die Anordnung und die Verteilungsdichte genau definiert sind. Für die Bereiche werden mittels Lichtsteuerung unterschiedliche Auflösungen erzeugt. Mehr künstlerische Freiheit in der Bespielung ist möglich und trotz der extrem niedrigen Auflösung der Bilder und deren Ausbreitung auf der gesamten Fläche, können alle Motive gut erkennbar gemacht werden. Schließlich ist es das ausgeklügelte Konstruktionssystem sowohl in den Teilbereichen als auch zusammen-

geführt im Ganzen, welches die Fassade zum digitalen Licht-Informationsträger macht. Der solide, vom Architekten verwendete Beton musste in eine ansprechende Kommunikationsoberfläche verwandelt werden, was mithilfe von glasfaserverstärkten Betonfertigelementen geschah. Dadurch handelt es sich tagsüber um eine attraktive, homogene Gebäudefassade, die in nichts an ein Display erinnert, aber mit dem Nebeneffekt, dass das Sonnenlicht das weiße Schüsselsystem angenehm beleuchtet und durch Licht und Schatten dynamisch- dreidimensional erscheinen lässt. Erst nachts wandelt sich die beleuchtete Fassade zu einem, von der Architektur abgeleiteten Kommunikationsmedium.

Diese Anpassungs- oder Wandlungsfähigkeit zeichnet die Medienfassade des C3A maßgeblich aus. Hinzu kommt, dass die lichtgesteuerte Fassade durch die
enge Zusammenarbeit von Architekten und Designern in Aussehen und Wirkung eine hervorragende, miteinander interagierende Weiterentwicklung der Gesamt- und vor allem Innenarchitektur ist. Dieser Transfer gelingt selten so gut wie hier. Sicherlich bleibt bei der Niedrigauflösung und der Gesamtgröße ein kleiner Nachteil, dass aufgespielte Szenen von nahem nicht ganz leicht zu erkennen wären, doch ist als Standort bewusst die längste der Außenwände gewählt, die der Stadt und dem Fluss zugewandt ist, um demzufolge sowieso nur von weitem sichtbar zu sein. Viele Künstler werden zu Besuch kommen, vielen Ausstellungen und Veranstaltungen wird das Medienkunstzentrum Platz – für Gastspiele und -beiträge bietet die Medienfassade ideale Möglichkeiten. Bliebe einzig die Frage der Sicherheit: spezielle Simulations-Software namens C3A steuert die Schaltung der LED-Quellen in den Schüsseln – es ist ein "Schüsselreiz". Wohl auch für Delinquenten, die solch riesige, publikumswirksame Medienoberflächen künftig per Hackerangriff steuern und missbrauchen könnten. Doch lässt sich wohl auch hier als Vorteil der angenehm "rückschrittige" Minimalismus eines solchen Bildschirms anführen. Denn es ist anzunehmen, dass, bevor es den kunstvoll und periodisch eingeschalteten Kommunikatonsbildschirm des C3A träfe, viele dauerflackernde und milliardenfach verwendete Smartphone- und Computerdisplays vorher betroffen wären.

Manchmal fragt man sich, was denn den Unterschied ausmacht, was ist besonders an einem Projekt und warum spricht es einen an. Basierend auf der Wissenschaft der Neuroästhetik sind es insbesondere die Interpretationsmöglichkeiten, die dem Betrachter erlauben, darin zu sehen, was ihm Glücksgefühle vermittelt. Die Gestaltung des Lichts in der Fassade bietet diese Freiheit. Das Muster ist nicht festgelegt in einem Raster. Die Intensität der Lichtquellen scheint natürlich zu variieren wie das Lichtspiel auf reflektierendem Wasser. Wir sehen damit nicht Lichtquellen, sondern Lichteffekte, mal hart und klein, mal sanft und flächig. Das reicht, um eben diese Fassade besonders zu machen, ohne auch nur einen Gedanken an Farbe zu haben, aufdringliche Dynamik und zwanghafte Mediainhalte, eben natürlich ästhetisch und frei von Zwängen.

Projektbeteidigte:

Auftraggeber: Junta de Andalucia en Córdoba (Konzeptentwicklung und Design), Nieto Sobejano Arquitectos (Planung, Betreuung künstlerischer Bereich), FCC Construccion S.A. (Software)
Architekten: Nieto Sobejano Arquitectos (Architektur und Projektpartnerschaft),FCC Construccion S.A. (Generalunternehmer), Iluminación Lledó S.A. (Konstruktion Lichtfassadensystem), Marie Banatre, Johann Christoph Bätz, Jan Edler, Tim Edler, Christoph von Mach, Daniel Mock, Malte Niedringhaus, Ulrich Pohl, Christian Riekoff, Stefan Tietke, Christoph Wagner, Markus Wiedauer
Lichtdesign: realities: united – studio for art, architecture and technology; www.realities-united.de