Ameluna

Gefühle im Schwebezustand

Ameluna: Ein wenig wie ein Traum, ein wenig Luxus und ein wenig extravagant.

Zu diesem Schritt haben sich eben Daimler Benz und Artemide entschlossen. Ein Hersteller von hochwertigen Automobilen – kurz Autos – und ein Hersteller von designorientierten Leuchten – kurz "Lampen" – haben sich gesucht und gefunden. Genau gesagt hat Daimler Benz im Leuchtenherstellermarkt gesucht und Artemide auserkoren, um durch diese Partnerschaft neue Wege im Umgang mit neuen Unternehmensphilosophien zu gehen. Für Artemide war es eine willkommene Anfrage, der man sich als Leuchtenhersteller nur schwer erwehren konnte. Und so kommentierten Carlotta Bevilacqua und Ernesto Gismondi im Rahmen einer Abendveranstaltung in dem Präsentationszentrum von Daimler Benz in Stuttgart Sindelfingen/DE nicht ohne Stolz und Emotionen eben diese Kooperation fast schon überschwänglich und einem Kindheitstraum vergleichbar, den man sich nie hätte vorstellen können. "Thinking Beyond Design" beschrieben, definiert und verantwortet von Martin Bremer in seiner Funktion als Senior Manager Corporate Design Strategie & Digital Interieur Entwurf für Daimler Benz, als einen Unternehmensansatz von Daimler, eben nicht mehr nur über Autodesign nachzudenken, sondern dieses als Teil einer Lebensphilosophie zu betrachten, der man sich als Verbraucher gänzlich hingeben kann. Es beinhaltet den Gedanken im Mercedesdesign und -ambiente nach Hause zu fahren, welches quasi in den eigenen vier Wänden im gleichen Design fortgeführt wird, sowohl in Form wie auch im Lichtambiente. So beschrieb Martin Bremer den Gedanken, der sich hinter dem Ansatz von "Thinking Beyond Design" verbirgt. Und das ist noch nicht alles, was Daimler sich für die Zukunft überlegt hat. "Urban Design" ist hierbei mit das offensichtlichste Thema. Aber das scheint noch nicht alles zu sein, was sich hinter dem verschmitzten Lächeln von Martin Bremer verbarg.

Ameluna jedenfalls ist eine schöne Leuchte, gelungen im Design, attraktiv in den Kurven und ansehnlich im Licht. Je nach Blickwinkel und Standpunkt erscheint sie kreisförmig oder oval. Das liegt am beleuchteten, kreisrunden, unteren halbtransparenten Ring und einem transparenten Aufbau in der Form eines stromlinienförmigen Sportwagens. Sie hat eine Transparenz, die sichtbar ist. Ein herrlicher Gegensatz und ein Spiel mit der Wahrnehmung. Sie macht neugierig. Die Form erinnert an das Design der letzten Daimler Automobilentwicklungen. Man erkennt die enge Verwandtschaft zwischen Leuchte und Automobil. Eine zweite, fast genetische Verbundenheit ist das Licht. Daimler ist von atmosphärischem Licht im Auto überzeugt. Dieses in einer Leuchte wiederzufinden, ist einer der zentralen Gedanken. Die erweiterte Variante von Ameluna wurde um ein farbwechselndes Downlight über dem Hauptkörper ergänzt. Das Licht spiegelt sich in der Abdeckung und bildet einen farbigen Lichtklecks. Sonst nichts. Das ist eine Menge Aufwand für einen ästhetischen, aber fast unauffälligen Effekt. Insbesondere wenn man bedenkt, dass für die Steuerung eine eigens entwickelte App erforderlich ist, mit der die Leuchte "smart" gesteuert werden kann. Aber man kann sich auch loslösen von der augenscheinlichen Ästhetik und Ameluna völlig anders interpretieren und eine übergeordnete Bedeutung zuordnen. Sie steht irgendwie auch für das Lebenswerk des Ernesto Gismondi und der Carlotta Bevilacqua. Form und Inhalte werden definiert und geprägt von dem kreisrunden Licht. In der Leuchte und in dieser Kooperation findet dieses Leben einen würdigen Höhepunkt. Die Aufhängung ist technisch hochwertig in den Leuchtenkörper integriert. Obgleich Aufhängungen so traditionell und konventionell erscheinen, wie es nun mal noch immer erforderlich ist, wenn man von angehängten Leuchten spricht. Nun handelt es sich nicht um eine Leuchte, die man für Schulobjekte oder Amtsstuben einplanen sollte. Nicht, dass sie den lichttechnischen Anforderungen nicht nachkommen könnte. Es ist der Preis, der den Einsatz definiert und mir ein wenig Sorgen macht. Mit 2800 Euro Listenpreis für die Variante mit farbwechselnder LED kann sich ein Student seinen ersten gebrauchten Mercedes kaufen und damit in seinem Umfeld mächtig Eindruck wecken. Mit Ameluna wird das so für den Studenten nicht funktionieren. Für andere Durchschnittsbürger sind 2800 Euro ein Monatsgehalt, brutto versteht sich. Die Variante ohne Spot kann man allerdings auch für 2200 Euro erstehen. Andererseits kann sich ein Durchschnittsbürger auch keinen neuen Mercedes der Spitzenklasse leisten. Insofern ist eben dieser Tatbestand nichts Ungewöhnliches. Und doch bleibt ein etwas mulmiges Gefühl, ob die gehobene Klasse wirklich so viel Liebe zu Ameluna entwickelt, weil man es unbedingt wie einen Mercedes haben will. Denn eines ist klar: ein Mercedes ist eine langfristige Investition und eine Leuchte ist allein von der Technik her Entwicklungs- und Designzyklen unterworfen, die oftmals weniger als zwei Jahre umfassen. Ameluna ist ein Statussymbol und folgt damit den Marktgesetzen einer Designerleuchte. Sie fällt aus dem Kreis des Architekturlichtgenres heraus. Das ist legitim, aber nicht ohne Risiko. Denn das Produkt muss so vollkommen überzeugen, dass man irgendwann Ameluna als Klassiker kategorisieren würde. Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt ungemein, heißt es. Ameluna kann durch seine Lichtstimmung sehr glücklich machen, aber der Preis beunruhigt durchaus. Andererseits haben wir den iMac, das iPad, das iPhone und die iWatch. Ob wir all das brauchen ist auch nicht bewiesen.

Dennoch: Ameluna ist eine wundervolle Idee, verbunden mit wundervollen Geschichten, die das Leben schrieb. Und so wünscht man dem Projekt ein langes, langes Leben voller Anerkennung und Freude.