Motel One London
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Auffällig dezent

Wie es das Motel One in London schafft, nicht in der Masse unterzugehen.

Es ist nicht neu, dass die britische Hauptstadt über alle Maße bekannt und beliebt ist: Historisch beeindruckende Architektur steht neben modernen ikonischen Bauten, Museen zu beinah jedem erdenklichen Thema laden ein, Design wird ständig neu definiert und von hier in die Welt getragen, Besucher kommen in Rekordscharen. Obwohl es unzählige Hotels und andere Unterkünfte gibt, können trotzdem nicht alle Touristen immer problemlos unterkommen – zu groß ist der Andrang.

Neu ist dafür aber, dass die erste Niederlassung der deutschen Hotelkette Motel One auf britischem Boden, neben der ohnehin schon besonderen und erfolgsgekrönten Philosophie des wachsenden Unternehmens, die beim Überangebot in der Metropole allerdings nicht automatisch auch Erfolgsgarant sein muss, mit einem einzigartigen Lichtfassadendesign besticht. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Lichtblick, der zwischen der bestehenden Architektur, gerade im geschäftigen Londoner Finanzdistrikt, hervorsticht, der anlockt und einlädt. Was das Projektteam gemacht hat, ist clever und selbst für Londoner Verhältnisse bahnbrechend, weil erstmalig an einem Gebäude, welches gewerblich genutzt wird, umgesetzt: Über die normale, triste Fassade des Baukörpers wurde eine weitere illuminierte Fassade gesetzt, deren sanftes Farblicht als Blickfang durch die Straßen huscht. Als Material kam Mineralwerkstoff, ein Verbundwerkstoff mit funktionalen Eigenschaften, der rund zu 75 Prozent aus natürlichen Mineralien sowie einer Acrylmasse und Farbpigmenten besteht, zum Einsatz. Dieser ist vielseitig einsetzbar, leicht zu bearbeiten, widerstandsfähig, langlebig und vor allen Dingen lichtdurchlässig. Denn genau dies erlaubt die eingesetzte beziehungsweise hintergesetzte Illumination. Möglichst große Fassadenplatten, insgesamt eine Fläche von 650 Quadratmetern, wurden verwendet, um die Fugenzahl zu reduzieren. Das führt auch dazu, dass die Leuchtfassade tagsüber als solche nicht zu erkennen ist, sondern puristisch, wie aus einem Guss wirkt. Setzt die Dämmerung ein, beginnt sie im regelmäßigen Muster bei wechselndem Farbspiel zu leuchten.

Das geschieht dank vorheriger, präziser Handarbeit und durch ausgefeilte Technik. Polygonale Muster wurden rückseitig unterschiedlich tief aus den 12 Millimeter dicken Platten, die die Farbe "Glacier White" haben, gefräst, um die Lichtdurchlässigkeit des Materials zu erhöhen. In diese Einkerbungen wurden dimmbare LEDs montiert, die die Oberfläche anhand eines computerbasierten Farbrads in RGB-Farben aufleuchten lassen. Die an Bienenwaben erinnernde sechseckige Struktur erscheint mal offen, mal teilweise oder ganz verdeckelt. Außerdem variiert die Durchleuchtung wegen der unterschiedlichen Frästiefe in ihrer Stärke. Insgesamt entsteht so eine flächige, doch gleichzeitig punktuelle sanfte farbliche Beleuchtung auf der weißen Außenfassade. Das Zusammenspiel steht wie ein städtischer Leuchtturm in den Straßen der Stadt unweit der berühmten Tower Bridge. Man könnte auch sagen, das Licht zieht Schwärmer an wie Insekten, oder das Hotel als Massenunterkunft mit den an Waben erinnernden Leuchtszenen ist ähnlich wie ein trubeliger Bienenstock. Das Muster der Waben übrigens findet sich auch im Innern, zum Beispiel in der Bar, wieder.

Für manche gilt, Auffallen um jeden Preis. Dabei schießen sie dann offensiv über das Ziel hinaus, was im konkreten Fall wohl dazu geführt hätte, dass eine viel zu grelle, flackernde, unästhetische Beleuchtung in die Fassade eingebaut worden wäre. Völlig unpassend zur Stadtlandschaft, Stadtdynamik und vorhandenen Stadtbeleuchtung. Doch das Design dieser illuminierten Hotelfassade ist zum Glück anders. Sanftes, passiv erzeugtes sowie sich an Vorhandenes anpassendes Farblicht im ästhetischen Muster, welches seine Analogien in der Natur sucht, zurückhaltend in seiner Wirkung, tagsüber puristisch-ansprechend für sich stehend und erst ab der Dämmerung seine betörende Erscheinung entfaltend. Das ist deswegen und in der Gesamtheit durchaus gelungen. In einer solch vollen und urbanen Szenegroßstadt sticht das Londoner Motel One nur durch Licht, aber dadurch problemlos heraus. Natürliche Materialeigenschaften wurden sinnvoll genutzt und optimiert. Wie ein smarter und moderner Leuchtturm sendet das Gebäude nun bei Nacht kleine Lichtsignale raus in die Straßen und an die Menschen der Stadt.

Projektbeteiligte:

Architektur und Design: Mackay + Partners

Fassade: Rosskopf + Partner; Architectural Aluminium Ltd.; 5D Engineering