Börsensaal in Montreal/CA
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Ein Grund zu bleiben

Ein Börsensaal in historischer Kulisse in Montreal/CA wird revitalisiert.

Dass der für die Bank wichtige Börsensaal das letzte Mal in irgendeiner Form renoviert wurde, lag 20 Jahre zurück. Dementsprechend war sein Design rückständig, die Lichtgestaltung aus besonderen Gründen beschränkt und die Atmosphäre zum Arbeiten entsprechend unkomfortabel. Der Bankvorstand sah sich gezwungen darauf zu reagieren: zur Debatte standen entweder der Auszug oder der bauliche Eingriff. Das 24-stöckige Bürogebäude stammt aus dem Jahr 1913, zumindest begannen zu diesem Zeitpunkt die Arbeiten daran. Vollendet wurde es mit dem letzten Stockwerk tatsächlich erst 1931, nach insgesamt drei Bauphasen. Im Ostteil, der in Sachen Erweiterung auch Teil des zweiten Bau- abschnitts von 1923 bis 1926 war, befindet sich der Börsensaal. Er zeichnet sich durch hochwertige Materialien und besondere Architektur aus: Marmorwände und -verkleidungen, korinthische Steinsäulen in Schwarz und Gold in zwei raumumlaufenden Reihen, ein Zwischengeschoss, Blattgold, hohe Decken sowie ein großes Dachfenster. Trotz dieser Details war es ein schlichter Ort, weshalb die Architekten und Designer anhand eines subtilen Eingriffs, um auch die geschützte historische Bausubstanz respektvoll zu erhalten, die Herausforderung annahmen, unter den Umständen einen hellen, freundlichen, komfortablen und technisch- modernen Arbeitsort zu erschaffen, an dem künftig wieder munter der börsentypische Präsenzhandel betrieben werden kann. Eine solche einschneidende Modernisierung in bestehender, historischer Architektur ist in vielerlei Hinsicht herausfordernd. Auch in der Lichtgestaltung.

Für letztere hätte es mit dem großen Oberlicht eine ideale Grundlage gegeben, um insbesondere Tageslicht in die Halle eindringen zu lassen. Doch genau diese wurde bereits während der langen Entstehungsphase beziehungsweise der Erweiterung dieses Gebäudeteils aus unbekannten Gründen zu Nichte gemacht. Eine sicht- und lichtnehmende Dachkonstruktion wurde über dem Oberlicht errichtet und anschließend zwischen Glas und Dach eine Beleuchtung installiert, die seitdem ungleichmäßiges und dämmriges Kunstlicht in den darunter liegenden Raum abgab. Arbeitsplatztrennwände aus opakem Glas verhinderten zudem eine bessere Verteilung des ohnehin schon wenigen Lichts und eine lichteinspeisende Öffnung der Halle gen Westen änderte an der Raumfinsternis auch nicht viel.

Für die Neugestaltung des Lichts im Börsensaal galt es demnach gerade am raumbestimmenden Oberlicht, welches weiterhin von der darüber liegenden Dachkonstruktion eingefasst und verdunkelt wird, und seiner künstlichen Beleuchtung Änderungen vorzunehmen. Nach einer gründlichen Reinigung sowie Ausbesserung, erhielt der Bereich in der Folge ein komplett neues Lichtkonzept. Zwischen Fenster und Dach wurden LED-Fluter mit einer Farbtemperatur von 4000K montiert, die nach oben auf die Dachunterseite ausgerichtet sind und in der Beleuchtung für den Blick von unten eine Tageslichtatmosphäre kreieren. Ebenfalls dazwischen montiert sind lineare LED mit einer Farbtemperatur von 3000K, die allerdings durch das Milchglas in die Halle hinein leuchten. Für die Menschen, die sich darunter an den festen Arbeitsplätzen aufhalten, entsteht eine täuschend echte, funktionale, der Arbeit dienliche aber eben auch diffuse Tageslichtszene.

Darüber hinaus ergänzen in dem raumumlaufenden Band, in dem sich sowohl unten ebenerdig als auch oben auf der Zwischenebene separierte Arbeitsplätze befinden, die nun mit lichtdurchlässigen Glastrennwänden ausgestattet sind, geradlinige, abgependelte Leuchten das Lichtkonzept. Diese führen in kurzer

Linienform entlang des Flures oder leuchten in rechteckiger Rahmenform die Arbeitsplätze aus. An der Balustrade der Zwischenebene sind Deckenfluter montiert, die die historisch-edle, verschnörkelte und mit Blattgold verzierte Decke sowie weitergehend das erneuerte Oberlicht ausleuchten.

Die eher neutralweiße Farbe des neuinstallierten diffusen LED-Lichts in der Decke kontrastiert zu den warmen historischen Materialien wie Gold und den anderen edlen Designdetails. Die vielen und neugesetzten Trennwände zwischen den Arbeitsplätzen leiten das Licht. Somit ist es nun nach der Modernisierung möglich, dass das überarbeitete Kunstlicht von oben sowie das durch die Fenster der Ostfassade einfallende Tageslicht den gesamten Börsensaal in einer Mischung effektiv ausfüllen und mit Energie nähren. Für die National Bank of Canada ist der Firmensitz und insbesondere der Börsensaal im Sun Life Gebäude aufgrund der hervorragenden zentralen Lage und der Gebäudehistorie von Bedeutung. Vor allem ist es der eigene Nerv des Finanzinstituts und der größte seiner Art in Quebec. Doch beinah wäre die Entscheidung gegen eine Renovierung der bestehenden Architektur und Lichtgestaltung zugunsten eines Auszugs gefallen, weil die Aufgabe bei aller Tristesse, die der Saal bislang bot, unmöglich erschien. Was Architekten und Lichtgestalter allerdings gemeinsam im Stande sind zu schaffen, haben sie an diesem Projekt bewiesen. Das Ergebnis ist für die Bank allemal Grund genug, zu bleiben.

Die Herausforderung für das Lichtplanungsbüro Ombrage bestand zusammengefasst in der Kombination der historischen Architektur einerseits und der Größe des Raumvolumens andererseits. Nun ist es ein Teil der Bankenkultur mit großen Volumen zu arbeiten. Der Ansatz ist aber auch, transparent und sichtbar zu bleiben ohne zu viel Knowhow preiszugeben. Das Kapital mag das Rampenlicht sein, welches die Tradition des Erfolgs ebenso hervorhebt wie die Modernität der Aktivitäten. Aber es mag nicht durchleuchtet zu werden. Schauen wir uns das Ergebnis der Sanierung und das neue Lichtkonzept an, lassen sich eben diese Ansätze sehr schnell ablesen.

Hohe, lichtdurchflutete Räume, realisiert durch eine künstliche Lichtdecke, schaffen die Voraussetzung auf jede zusätzliche Bürobeleuchtung zu verzichten. Nun ist das nicht ganz ohne Risiko, denn diffuses Licht hat den Beigeschmack, einen trüben Eindruck zu hinterlassen. Dementsprechend muss die Lichtintensität hoch gehalten werden. Das trifft insbesondere auf den großen, zentralen Saal zu. In den Zwischengeschossen mit den niedrigeren Deckenhöhen waren deshalb zusätzliche Pendelleuchten notwendig. Im Vergleich zeigt sich tatsächlich, dass die Direkt/Indirektleuchten einen positiven Effekt haben, da sie die Decken aufhellen und mehr Spannung bewirken.

Alles in allem jedoch bewirken die verwendeten Farben – schwarze Säulen und goldgelbe Verzierungen – einen raumprägenden Ausgleich zu fehlenden Kontrasten.

Ein spannendes Projekt, lichtgestalterisch aufgelöst im modernen Sinne in historischer Architektur.

 

Projektbeteiligte:

Auftraggeber: National Bank of Canada
Architektur: Architecture49 – Alexandre Sauvé (leitender Architekt), Alexandre Landry (planender Architekt), Nicoleta Dan-Ferenta (Projektleitung), Pierre Baillargeon (Oberster Architekt), Louis-Pierre Hubert (Bauleiter)
Mitgestaltender Architekt: Robert LaPierre
Lichtdesign: Ombrages (früher Éclairage Public)
Ingenieure: Bouthillette Parizeau, NCK

Verwendete Produkte:

Lumenpulse (Leuchten), Lutron (Lichtsteuerung) Glastrennwände: Muraflex