PCK Refinery in Schwedt bei Berlin/DE
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Neue Horizonte

Ein fensterloser Kontrollraum einer Raffinerie in Berlin/DE mit Blick nach außen.

Wir haben schnell Bilder und Assoziationen im Kopf, wenn wir an Bunker denken: Tristesse, Unbehagen, Verlorenheit oder gar Folter. Seltsamerweise muten wir uns diese Gefühle in unserer zivilisierten Gesellschaft im Ansatz zu, wenn es um bestimmte Arbeitsplätze geht.
In der Vergangenheit sicherlich aus Unwissenheit. Ihre Faszination auf uns generieren Bunker indes durch verschiedene Faktoren, auch weil sie Insassen und die nähere Umgebung um sich herum schützen können, sich aus diesem Grund aber auch von letzterer abschirmen. Der Bunker, pardon, Kontrollraum der deutschen PCK Raffinerie in Schwedt bei Berlin/DE ist typisch fensterlos, wie viele andere Kontrollräume auch.

Kein Tageslicht dringt herein, dicke Außenwände
und Sicherheitstüren riegeln ab, er ist feuerfest und explosionssicher. Eine dunkle und triste Angelegenheit, könnte man meinen. Doch wäre es dann auch ein Arbeitsort – so ganz ohne vernünftige Beleuchtung oder einen Bezug nach außen –, der keinem Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen langfristig zumutbar wäre. Die Prozesse in diesem Kontrollraum müssen jedoch unentwegt laufen, weshalb auch insgesamt sechs Teams in drei Schichten rund um die Uhr an den 26 Arbeitsplätzen im Einsatz sind, die also wissen wie es ist, einen Bunker als Arbeitsplatz zu nutzen, und weshalb die große 1000 Quadratmeter umfassende Halle schließlich eine wohlwollende, zum Teil natürliche Modernisierung erfuhr. Bezogen auf andere Renovierungsprojekte steht dabei weniger der bauliche Aspekt, sondern sichtbar die Lichtgestaltung im Vordergrund, die viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es ist teils neuestes Wissen, teils noch immer in Ansätzen ein Experiment, da wir noch nicht genügend, geschweige denn alle Faktoren für Wohl und Gefühl sowie die Effekte des zugegebenermaßen künstlichen Lichts auf den Menschen kennen. Was wir wissen ist, dass wir Lösungen finden müssen, um Schaden von den Mitarbeitern abzuwenden. HCL hin oder her, hier geht es um Grundbedürfnisse und ein Mindestmaß an Qualität.

Die Aufgabe war also klar: Es sollte eine möglichst natürliche Umgebung geschaffen werden. Was aber war der Lösungsansatz des Büros Lichtvision für diese Aufgabenstellung? In die Decke der großflächigen als Treffpunkt dienenden Hallenmitte, die der Form einer Erdnuss gleicht, ist ein künstliches Tageslichtelement eingesetzt. Diese Lichtdecke ist rund 110 Quadratmeter groß und mit RGB LED-Paneelen ausgestattet. Die lichterzeugten Pixel einer Paneele sind jeweils einzeln adressierbar und haben einen Abstand von 6,25 Zentimetern zueinander, wodurch im Einklang mit dem Tagesverlauf dynamische sich verändernde Wetterszenarien kreiert werden können. Die Installation stellt vorbeiziehende Wolken, blauen Himmel, Dämmerung, Nacht oder Sonnenauf- sowie untergänge nach. In Zusammenarbeit mit den Forschungsabteilungen des Fraunhofer Instituts in Stuttgart wurden Vorgaben für die Lichtszenenabläufe beziehungsweise Wetterverläufe entwickelt. Die Bandbreite, in der sich zu den unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten die Helligkeit und Farbtemperatur bewegt, wurde definiert, während sich der Anblick des künstlichen Himmels stetig ändert. Die Wetterzustände werden über einen parametrisierten digitalen Himmel von einem Videoserver in Echtzeit erzeugt. Weitere emotionalere Momente ermöglicht außerdem die Overlay-Funktion des leistungsstarken Servers. In unregelmäßigen Abständen sind kleine Ereignisse wie Kondensstreifen von vorbeifliegenden Passagierflugzeugen, ein Heißluftballon oder Vögel am Himmel zu sehen. Für besondere Gelegenheiten kann das Logo des Konzerns übertragen werden, zu Geburtstagen können Luftballons in den Himmel aufsteigen und Geburtstagsgrüße aufgespielt werden.

Für die Ausstattung der Halle wurden transparente Glaswände verwendet. Das schafft einen enormen lichtdurchflutenden Überblick und ermöglicht es den Mitarbeitern, von jeder Stelle aus die Messwarte einsehen zu können. Um dieses Übersicht und Sicherheit gebende Gefühl zu verstärken, werden die massiven Außenwände von Wandflutern beleuchtet. Jeder der 26, vor der Außenwand platzierten und raumumlaufenden Arbeitsplätze wird über zwei Pendelleuchten, die sich immer zwischen den Arbeitsplätzen befinden, ideal illuminiert. Eine Fläche wird jeweils von links und rechts angestrahlt. Der Direktanteil des Lichts kann dabei von jedem Platz individuell gesteuert werden, während der indirekte Anteil der Leuchten teamweise eingestellt wird. Die Pendelleuchte ist DALI-gesteuert. Sie erzeugt für den direkten Anteil rechts und links eine Farbtemperatur von 3000K. Der Indirektanteil erreicht eine Farbtemperatur von 4000K. Alle enthaltenen, mit DALI- Treibern ausgestatteten Leuchten sind zentral mit einem KNX-Backbone verbunden.

Die typisch finstere und erdrückende Atmosphäre eines Bunkers zu vermeiden, war dem Auftraggeber wichtig. Im Ergebnis führte das zu den zwei wesentlichen, prägenden Raumelementen: der virtuelle Himmel und die digitalen Fenster. Dafür wurden am Ende von Sichtachsen im Raum auf die Wände Bildschirme montiert, auf denen jeweils eine Direktübertragung einer Webcam wiedergegeben wird. Die Mitarbeiter können so beobachten, was in der jeweiligen Blick- richtung im Außenraum passiert.

Durch all diese Elemente leistet die Beleuchtung einen wichtigen Beitrag zu einer angenehmen Aufenthaltsqualität hinsichtlich der Arbeit im Kontrollraum der Raffinerie. Notwendig und deshalb sinnvoll war ein Update des Beleuchtungskonzepts aufgrund der Bunker-Situation ohnehin. Dass die Verantwortlichen dabei einen locker geschwungenen Lichthimmel in die Deckenarchitektur integriert haben, ist zum einen sehr gut und wird zum anderen dadurch noch besser, dass dieser mithilfe moderner und effektiver Technik funktioniert und nicht einfach kunterbuntes, waberndes Licht, sondern tatsächlich himmelstypische und sich dynamisch verändernde Szenen aufspielt. Doch die Aufmerksamkeit galt darüber hinaus auch den Arbeitsplätzen und deren idealer Ausleuchtung. Auch dieser Bunker erfüllt wie alle anderen klare Funktionen und bietet einen faszinierenden Schutz – doch nicht nur vor Feuer und Explosion, sondern nun auch vor einer möglichen schlechten Arbeitsstimmung.

Projektbeteiligte:

Auftraggeber: PCK Raffinerie Schwedt/DE
Architektur: Obermeyer Planen + Beraten GmbH
Lichtgestaltung: Lichtvision
Leitung: Raoul Hesse