Østbanehallen
Top Story

Zug bevorzugt

Der renovierte Hauptbahnhof in Oslo/NO bietet dem Reisenden einen Mehrwert an städtischem Erlebnisraum.

Ein gutes Jahr ist vergangen seit der Neueröffnung von Ø – Ø ist die neue Bezeichnung des Hauptbahnhofs Oslos. Der ganze Name lautet Østbanehallen. Es wurden in den letzten Monaten vor der Eröffnung größere Renovierungen vorgenommen und in der Bahnhofshalle, in dem zentral gelegenen Gebäude, werden nun Restaurants, Cafés und Einkaufsläden untergebracht. Ø liegt am Ende der Karl Johans Gate, der Haupteinkaufsstraße, und ist so zum natürlichen Treffpunkt für viele Bürger Oslos geworden. Im Bahnhof befinden sich viele verschiedene Shops und Outlet-Stores – und die sind nicht nur als kurzlebige Beschäftigung für die Menschen gedacht, die auf Zugverbindungen warten. Lebensmittelgeschäfte, Blumenläden, Bäckereien, eine Sushi-Bar, eine Eisdiele ... und einige der Cafés und Bars sind mit Ledersofas und gemütliche Sesseln ausgestattet. Ein öffentlicher Raum in der Tat, darauf ausgerichtet, eine gewisse Kundschaft anzuziehen und eine sowohl funktionale als auch coole Atmosphäre zu fördern.

Es ist klar, dass dieses eine moderne Interpretation eines Bahnhofs ist. Ein öffentlicher Ort, ein Treffpunkt und eben nicht mehr nur ein Tor zur Welt. Eher ein Raum für Tagträume, die in unserer Zeit neben den Bildern von Reisen ja so sehr von „Einkaufserlebnissen“ einerseits, wie auch von sozialen Kontakten andererseits geprägt ist. Doch wollen wir den Gedanken des Tors zu anderen Welten – sei es Reisen oder Shoppen – noch im Hinterkopf behalten. Gedanklich also ist ein Bahnhof ein Ort des Gegensatzes. Einerseits wollen wir von dort verreisen. Andererseits soll dieser Ort im modernen Verständnis auch zum Verweilen einladen. Nun ja. Vielleicht lässt sich dieser Gegensatz auch von etwas anderer Seite betrachten. Wenn ich als Reisender in einen Bahnhof eintreffe und schon an diesem Ort die Freundlichkeit der örtlichen Menschen erkenne, so wird der Bahnhof eben schon hier zum städtischen Raum. Er ist kein architektonisches Symbol der Stadt, sondern insbesondere ein soziales Statement. Das sollte Grund genug sein, den Bahnhof zu gestalten und wer mag, kann dies Human Centric Lighting nennen, obgleich ich weiß, dass im Verständnis vieler dies nicht passt und lediglich von Lichtfarben definiert wird. Zu Unrecht übrigens.

Der Bahnhof also hat eine Halle. In dieser gibt es Läden und Lädchen, Bistros und Theken. Das bedeutet die Erfordernis einer Grundbeleuchtung und eine individuelle Betrachtung kleinerer Einheiten. Zudem erhellt den Bahnhof ein neues Ikon aus Licht und fertig ist das Gesamtkonzept des Bahnhofs. Soweit der konzeptionelle Gedanke und strategische Ansatz. Nun gehen wir ins Detail...

Die Renovierung des denkmalgeschützten Gebäudes ist mit Sorgfalt realisiert worden. Nur die hochwertigsten Materialien wurden verwendet, um einen nahtlosen Übergang von Alt und Neu zu erzielen. Das Lichtdesign war ein integraler Teil des Sanierungsprogramms: Das heißt, die Beleuchtung des gesamten Gebäudes ein- schließlich des Bahnhofsvorplatzes, der Außenfassade und der Bahnhofshalle. Das Lichtdesignteam von ÅF Oslo wurde beauftragt, ein Konzept zu entwickeln und realisieren, welches die Absicht der Architekten, Alt und Neu zusammenzufügen, unterstützen würde.

Das Licht im alten Gebäude wurde mit dem Gedanken geplant, die Baukunst zu akzentuieren sowie die Geschichte und ehemalige Funktion als Wartehalle für Bahnreisende zu unterstreichen. Das Dach und die sichtbaren Bauteile wurden in Bezug auf frühere Zeiten, als der Rauch der Lokomotiven den Innenraum stark verschmutzte, in Schwarz erhalten. Doch ganz so schwarz wollten die Planer ihre Arbeit auch nicht belassen. Bei Tageslicht strömt auch weiterhin das natürliche Licht herein und definiert das Deckengewölbe. Nachts erhellt die Decke dann eine blaue Beleuchtung, die eine besondere Atmosphäre der Nacht schafft. Ein bisschen magisch, ein bisschen atmosphärisch, aber in jedem Fall das besondere Etwas, welches wir brauchen, um uns grundsätzlich wohlzufühlen ohne es (als Fachmann) sofort definieren zu können.

Das Lichtdesign unterstreicht diese Ambitionen und akzentuiert bei einem hohen Sehkomfort wichtige Details und Merkmale. Ein Großteil der Leuchten und Lichtquellen sind soweit wie möglich in die Architektur integriert und bleiben für den Betrachter unsichtbar. Eine moderne Lichtsteuerung passt die Beleuchtung der Jahres- und Tageszeiten an und sorgt so für eine optimale Tageslichtnutzung und eine erhöhte Energieeffizienz.

Insgesamt 450 Leuchten und 6000 LEDs wurden für die funktionale Beleuchtung verwendet. Was aber den Innenraum des Ø von anderen historischen Bahnhofshallen der Welt unterscheidet, ist die beeindruckende, einzigartige farbenfrohe Pixelwand am Ende der Bahnhofshalle. Diese besteht aus 71 transparenten LED-Paneelen, die individuell adressierbar sind. Da das Gebäude nach Osten ausgerichtet ist, beruhte das Konzept für die Gestaltung der Pixelwand zu Beginn des Tages auf einer Simulation eines Sonnenaufgangs. Zudem kann die digitale Wand unterschiedliche Stimmungen im Verlauf des Tages generieren und auf Festtage und besondere Anlässe reagieren.

Dieses Element ist der Schlüssel zum Erfolg des Projekts, das Ikon, der Clou. Es gibt Raum für Symbolik und Phantasie. Man mag es das Tor zur Welt nennen – wir alle kennen ein bisschen „Stargate“ in Norwegen, das uns andere Welten und Kulturen eröffnet. Es mag ein wenig viel nach Epos klingen, doch ist es nicht das was wir als Menschen in der Realität vermissen und weshalb wir uns dann in Internet und Fiktion zurückziehen?

Die Läden laden ein zum Shoppen, als „Licht zum Hingehen“ kann man es beschreiben, die kleinen Einheiten in der großen Einheit der Halle. Cafes haben genügend Raum als solche zu wirken und sie wie im Biergarten zu gestalten. Das (soziale) Leben findet dort statt. Dazu braucht es kaum größere Ideen, eben nur einige Leuchten als Teil des Mobilars.

Jeder der Läden in Ø verfügt über eine eigene Lichtsteuerung, damit der jeweilige Eigentümer die Beleuchtung individuell steuern und anpassen kann. Nach Ladenschluss setzt eine Allgemeinbeleuchtung in der Bahnhofshalle ein. Damit einzelne Läden nicht wie dunkle Lücken zwischen den beleuchteten Zonen wirken, haben die Eigentümer spezifischer Läden die Option, das Licht in den Verkaufsräumen oder Schaufenstern angeschaltet zu lassen.

Ø ist ein perfektes Beispiel für einen modernen Bahnhof. Offen, hell, freundlich, attraktiv für Menschen aller Altersgruppen, funktional, praktisch und ganz einfach ein großartiger Ort zum Verweilen. In diesem Kontext ist das Einkaufen ein Erlebnis, das mehr oder weniger nebenbei passiert. Aber es funktioniert. Ob man ein Buch, ein Brötchen, Obst oder Blumen im Visier hat, attraktiv und ansprechend sehen die ausgestellten Waren immer aus. Für die Lichtdesigner war die zu bewältigende Aufgabe durchaus vielseitig: anspruchsvolle Architekturbeleuchtung, funktionales Licht für die Verkaufsräume, geeignetes Stimmungslicht für die Esslokale, Licht zur Orientierung und die Pixelwand, die mit Recht als Hauptdarsteller gefeiert werden kann. Godt jobbet!

Planungsbeteiligte:

Auftraggeber: ROM Eiendom AS

Architektur: Mellbye Arkitektur Interiør AS
Innenarchitektur: Mellbye Arkitektur Interiør AS
Ingenieurbüro: ÅF Lighting

Lichtplanung: ÅF Lighting

Verwendete Produkte:

iGuzzini, Osram, Skanlux, Zumtobel, Elektrik Solutions, Kreativ Plast, Glamox, Erco, Fagerhult, Luminator, XAL, Artemide, Bega