Klubhaus St.Pauli
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Fassaden-Clubbing

Mediatektur: das Klubhaus St. Pauli in Hamburg/DE ist das Ergebnis einer innovativen Symbiose.

Das Klubhaus St. Pauli mit seiner weltweit einmaligen Medienfassade befindet sich am Spielbudenplatz in Hamburg. Der sechsstöckige Neubau beheimatet Musikclubs, Büroflächen, Gastronomie sowie Live- Event-Locations. Die Medienfassade mit ihrer neuartigen Symbiose aus Architektur und Mediengestaltung – einer dynamischen Mediatektur – bietet vielfältige, auch interaktive Möglichkeiten. Der Entwurf zeichnet sich durch eine Kombination von Architektur und Medieninstallation aus, in der Bewegtbild und Baustruktur als gleichwertige Bestandteile der Gebäudeidentität verstanden werden. Nicht nur dadurch grenzt sich die Medienfassade des Klubhaus St. Pauli deutlich von herkömmlichen Architektur-Screens ab. Einzigartig ist auch die Transparenz der Fassade. Außerdem wurden künstlerische Videoanimationen, so genannte Core Visuals, maßgeschneidert für die Architektur und Baustruktur sowie den Ort und die Nutzung entwickelt.

Das Gebäude mit rund 5000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche wurde nach Plänen von akyol kamps: bbp architekten errichtet, die bereits in der Entwurfsphase eng mit dem Bremer Kreativunternehmen Urbanscreen zusammenarbeiteten. Baustruktur und Medieninstallation wurden parallel entwickelt. Urbanscreen zeichnen dabei für den Entwurf und die künstlerische Leitung der Medienfassade verantwortlich. Umgesetzt wurde diese in Zusammenarbeit mit den Lichtplanern von Bartenbach lighting design, der Multivision LED- Systeme GmbH, der Onlyglass GmbH und den Medientechnikern von Intermediate Engineering.

Die Medienfassade nimmt eine Fläche von rund 700 Quadratmetern ein. Sie ist kein bloßer urbaner Bildschirm, sondern ein integriertes System aus Architektur und Bewegten Bildern. Durch diesen völlig neuen Ansatz kann das herkömmliche Bildschirmformat vollständig aufgebrochen und in einer topografischen Anordnung über die Gebäudestruktur verteilt werden. Als bildgebende Mittel wurden sowohl klassische Architekturbeleuchtung als auch hochauflösende LED-Meshes in die Fassade integriert. Diese besteht aus drei verschiedenen Medienmodulen: 177 Quadratmeter hochauflösendes Mediamesh, 265 Quadratmeter RGB-Flächen sowie 50 Quadratmeter hochauflösende transparente Glas-Displays im außenliegenden Fahrstuhlbereich des Gebäudes fügen sich gemeinsam mit bewusst unbespielten Flächen zu einem Gesamtkonzept zusammen.

Bartenbach lighting design entwickelte die Konstruktionsprinzipien für die Fassade und die Grundlagen für die technische Umsetzung, die erstmals eine transparente Medienfassade möglich machen – im Unterschied zu allen bekannten Videoscreens. Besucher und Mitarbeiter können also bei laufendem Betrieb der Medienfassade nach draußen sehen. Außerdem vermeiden die Fassaden-Prinzipien Lichtverschmutzung und Blendung. Bartenbach lighting design entwickelte den Fassadenquerschnitt so, dass kein Licht direkt über der Horizontalen zum Himmel abstrahlt und nur zum Straßenraum hin sichtbar wird. Der Querschnitt bewirkt zudem eine

blendfreie Tageslichtumlenkung in die dahinterliegenden Büros. Ebenso wurde das Beleuchtungssystem speziell für das Klubhaus entwickelt.

Die Fassade besteht aus einzelnen, in Gold beschichteten und in der Tiefe versetzten Metallrahmen. Trotz spektakulärer Außeninszenierung ist durch die fein- gliedrige Konstruktion die Durchsicht nach außen möglich, wodurch bei Tag eine angenehme Atmosphäre im Gebäude geschaffen wird. Die Lichtinstallation reicht zudem im Bereich des Eingangsraums in das Innere des Gebäudes und holt damit die Besucher optisch in das Klubhaus hinein. Um die einzelnen Metallrahmen des Klubhauses farbig zu beleuchten, wurde ein kompaktes LED-System mit drei unterschiedlichen Lichtwirkungen entwickelt. Eine noch größere Herausforderung als die kleinteilige Bauweise stellte jedoch die optimale Lichtverteilung des Farblichtes dar, um eine homogene Ausleuchtung der Felder zu erzielen. Dafür wurde eine spezielle, von Bartenbach entwickelte Linse mit einer exakten Lichtlenkung verwendet, die wiederum eine ganz bestimmte LED-Type bedingt.

Zusätzlich zum Farblicht wurden über 1.650 Pixellinien horizontal im Gitter der Metallrahmen installiert. Diese weisen eine sehr hohe Strahlkraft auf und verwandeln die Fassade in einen riesigen Bildschirm. Über diesen Screen kann das Klubhaus St. Pauli bereits bei Tageslicht mit seiner Umgebung kommunizieren. Die einzelnen LED-Platinen leuchten schräg nach unten, um sowohl eine optimale Sichtbarkeit von der Straße aus zu gewährleisten als auch gleichzeitig eine Blendung der Bewohner der gegenüberliegenden Gebäude zu vermeiden. Im Eingangsbereich wurden zusätzlich zum Farblicht Leuchten mit rein weißem Licht installiert, die sich beinahe unsichtbar in das Metallgitter einfügen und den Eingangsbereich perfekt ausleuchten.

Die Bespielung der Fassade kann von den Zuschauern aktiv beeinflusst, gesteuert und verändert werden. Interaktiv ist auch der außenliegende, gläserne Fahrstuhl zur Roof Top Bar: Er reagiert visuell auf die Fahraktivitäten des Lifts mit unterschiedlichen Video-Szenarien. Die Medienfassade kann zudem aktuelle Ereignisse wie Konzerte oder Sportevents live übertragen.

Einzigartig ist der mit der Stadt Hamburg abgestimmte Bespielungsmix zur Finanzierung des Vorhabens. Ein Drittel ist dem Bereich Kunst und Kultur vorbehalten. Hierfür wurden von Urbanscreen eigens für das Klubhaus Core Visuals entwickelt, deren Komposition maßgeschneidert für die Fassade erarbeitet wurde. Die Core Visuals sind die künstlerische Grundbespielung, die sich als medial weitergeführte Architektur, als fester Baustein der Gebäudeidentität versteht. Ein weiteres Drittel ist für kommerzielle Inhalte von Premium-Werbepartnern reserviert, die eigens für die Fassade entwickelte Werbeinhalte zeigen. Das letzte Drittel der Gesamtbespielungszeit nutzen die im Haus befindlichen Kunst- und Kulturbetriebe zur Eigenwerbung.

Das Besondere an dem Konzept ist die Vielschichtigkeit der Lösung und Umsetzung. Die erste Ebene ist die Fassade, die selbst um die Ecke und in den Eingangsbereich geht und weder gedanklich-konzeptionell noch baulich ein Hindernis darstellte. Diese wird auf der zweiten Ebene in vier Modulen definiert, die in der dritten Ebene aus Elementen bestehen und in der vierten Ebene von Pixeln in LED-Linien zusammengefasst sind. Das ist die Voraussetzung für eine hohe Flexibilität in der Umsetzung und Individualität. In der Konsequenz entsteht ein Tiefen-Raum-Projekt. Stärker kann man die zwei- komponentige Flächigkeit wohl kaum verlassen. Das Ergebnis ist eine konzeptionelle Mehrdimmensionalität in der (Medien)Fassade, die in der Konsequenz einen Einfluss auf die Inhalte der Bespielung hat. Und auch hier zeigt sich die ganz Kreativität der beiteiligten Planer. Wenn wir von Licht als Kommunikationemittel in der Neuzeit sprechen, ist dieses Projekt wohl ein mustergültiges Beispiel. Ein neuer Standard für modern- mediale Lösungen. Und noch etwas: Das Büro Bartenbach ist eines der ersten, welches sich als Lichtdesignbüro im Markt in den 70er Jahren etabliert hat. Insbesondere war es die Tageslichttechnik und die Philosophie der Umlenktechnik, für die das Büro stand, geprägt von dem Bürogründern Christian Bartenbach, den viele liebevoll auch als Master Jedi des Lichtdesigns beschrieben. Auch heute noch sind diese Themen sicherlich im Büro präsent. Doch es mag auch das bisher stärkste Zeichen des Generationenwechsels und inhaltlich-philosophischen Wandels sein, dass der Name Bartenbach endlich Verbindung mit moderne Gestaltung und Medienfassaden in Verbindung gebracht wird, die für andere wieder eine Inspiration sind. Natürlich ist dieses ein Prozess gewesen, der schon länger andauert, aber man hatte den Anschein, dass die Bürde der Geschichte doch stärker war als die Dynamik interner Prozesse. Das Projekt ist für das Büro auch insofern von Bedeutung, als die Mitarbeiter auch auf eine Zusammenarbeit mit Urbanscreen setzte und weiteres Fachwissen ins Boot geholt hat. Das kann man auch als Zeichen werten, dass das Büro Bartenbach in der Neuzeit angekommen ist. Wohl deshalb heißt das Büro nicht mehr Lichtlabor Bartenbach sondern Bartenbach lighting design. Das hat bisher kaum jemand mitbekommen.

Projektbeteiligte:

Architektur:
 akyol kamps : bbp architekten bda GmbH
Ausführende Lichtplanung:
Bartenbach lighting design
Fassadenentwurf: akyol kamps : bbp architekten bda GmbH /
Urbanscreen GmbH & Co KG

Medienarchitektur: Urbanscreen GmbH & Co KG
Medientechnik: Intermediate Engineering GmbH

Künstlerisches Bespielungskonzept: Urbanscreen GmbH & Co KG
Projektmanagement: Becken Development GmbH

Verwendete Produkte:

Hersteller Medienfassade:
 Multivision LED-Systeme GmbH,Onlyglass GmbH
LEDs: Cree