Schlossanlage Versailles/FR
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Besser als das Original

LEDs statt Kerzen in der Schlossanlage Versailles: Moderne Sparflammen für den einstigen Prunk Frankreichs.

Frankreich hat keine Könige mehr, sondern Präsidenten. Es herrscht kein höfischer Absolutismus, sondern moderne Demokratie. Des Sonnenkönigs prunkvolles Auftreten und seine herrschaftliche Hofkultur wurden gegen freiheitliches, gleichgestelltes Denken und Handeln getauscht. Schloss Versailles ist heute Museum, Touristenmagnet, Veranstaltungsort und vieles mehr; beeindruckend und imposant wie eh und je. Also brennen in der gesamten Palastanlage immer noch viele tausend Lichter; und zwar, wie einem Schloss und seinem Treiben gebührend, nicht auf Sparflamme sondern mit LEDs.

Nein, denn inzwischen und im Vergleich zu früheren Zeitepochen ist das auch nicht mehr notwendig oder adäquat. Wo damals noch Kerzen oder Öllampen zügig abbrannten, die verteilt auf einer Fläche von 815 Hektar erstmal mühsam entfacht werden mussten, leuchtet heute natürlich modernste Beleuchtungstechnik. Vor einigen Jahren wurde damit begonnen Schloss und Gärten baulich umfangreich und teuer zu renovieren. Auch auf die gesamte grundlegende sowie veranstaltungsbezogene Beleuchtung wurde diese Modernisierung angewandt. Unter der Federführung der schlosseigenen Kulturvereinigung Château de Versailles Spectacles (CVS), die sich vor allem um den Fortbestand der traditionellen, jährlich stattfindenden "Licht-Musical-Shows" rund um die Brunnen und Becken bemüht, wurde Laurent Fachard und sein Team von Les Éclairagistes Associés beauftragt, eine gute technische sowie angemessene Lichtgestaltung zu entwerfen. Angemessen bedeutet in diesem Zusammenhang voller Ästhetik und Eleganz. Die Zielsetzung war noch vor Erstellung eines Masterplans klar: die neue Beleuchtung soll Licht und Szenen erschaffen, die die Besucher an die glorreiche Zeit des 17. Jahrhunderts unter König Ludwig XIV. erinnern.

Mit Laurent Fachard wurde ein Lichtästhet beauftragt, der mit Parks seinen Durchbruch als Lichtdesigner in der Architektur erzielt hat. Sein Hintergrund ist die Bühnentechnik, sein wohl bekanntestes Projekt in den neunziger Jahren der Parc de Gerland in Lyon. Es ist nicht so, dass hier Beziehungen oder Parallelen bestehen. Im Gegenteil. Es verbietet sich sogar der Versuch, Parallelen zu entwickeln. Mit diesem Projekt beweist Fachard, dass Lichtdesign keine Schablonenarbeit ist, sondern ein Prozess voller Individualität des Ortes, der Geschichte und der Designaufgabe als Teil der Zukunft. Um es kurz zu sagen. Der Park von Versailles ist ein Meisterstück, ein weiteres in der Referenzliste von Laurent Fachard. Eine traumhafte Umsetzung von Lichtästhetik, die selbst den Sonnenkönig vor Neid erblassen ließe, hätte er noch die Chance dieses Lichtdesignwerk zu sehen.

Die ersten lichtbezogenen Arbeiten begannen bereits im Jahr 2014 und betrafen den zentralen Parkteil Grande Perspective sowie die zum Hauptpark gerichtete Westseite des Schlosses. Die Gebäudefassade sollte mit einer hochwertigen Nachtzeitbeleuchtung in der Dunkelheit

hervorgehoben werden; die bestehenden landschaftstypischen Elemente und die spezielle Natur dieses französischen Vorzeigegartens sollten durch neues Licht unterstrichen werden. Nachdem das Schloss allein mit über 900 Leuchten zweier verschiedener Typen mit einer Farbtemperatur von 2700 K ausgestattet war, galt es die Lichtgestaltung für die saisonalen wasserspielerischen Festlichkeiten mit Musik und Licht zu initiieren. Von Juni bis September kommen dazu jeden Samstag unzählige Besucher in die Gärten von Versailles, um die beeindruckenden und wechselnden Szenen, die mit einem Feuerwerk enden, zu erleben. Neben dieser Beleuchtungsaufgabe statteten die Lichtplaner fortan jedes Jahr einen anderen Teil des verwinkelten Gartens mit neuer Beleuchtung aus. 2015 wurde zum Beispiel die Beleuchtung der Westseite des Schlosses als dauerhaft eingerichtet; in diesem sowie in den folgenden zwei Jahren wurden der Latona- und Neptunbrunnen beleuchtet. Außerdem erhielten auch viele Bereiche der großen wesentlichen Ost-West-Achse, der sogenannten Königsallee mit aufwendigen Beeten, großzügigen Gehwegen, edler Pflanzenwelt, großen Teichen, herrlichen Brunnen und feinen Statuen, ihre finale neue Illuminationen.

Allein in diesen vier Jahren wurden über 1700 Lichtpunkte unterschiedlicher Art installiert, alle individuell adressierbar zur Gestaltung von dynamischen Sequenzen. Die Stromversorgung erfolgt über 24 Kilometer Elektrokabel. Außerdem sind drei Kilometer Glasfaserleiter im Einsatz. Die mehr als 300 Unterwasserscheinwerfer in den Brunnen und deren großen Becken können in sieben Farben leuchten, lediglich dort kommt die bunte Beleuchtung zum Einsatz; alle anderen und versteckt installierten Strahler, die auf dekorative Objekte wie Statuen, Vasen oder die Gebäude gerichtet sind, haben auch eine Farbtemperatur von 2700 K. Durch das warme Licht, entstehen angenehme Schattierungen auf allen Objekten und Bauten. Das Licht wirkt bewusst wie flackernde Flammen und kommt trotz der Parkfläche und landschaftlichen sowie baulichen Vielfalt ohne große Variationen aus. Denn: Es stellt das Flackern der alten, einzig verwendeten Laternen mit Kerzen nach, aus der glorreichen Zeit, als König Ludwig XIV. zu Festen lud und der Hofstaat ausgelassen feierte. An dieser Gestaltung zeigt sich, wie die Grundidee des eingangs erwähnten Masterplans realisiert wurde.

Die gesamte Beleuchtung greift getreu des Hauptauftrags immerzu den Charakter der eigentlichen Eventreihe "Les Grandes Eaux Nocturnes" (Die großen nächtlichen Wasserspiele) auf. Zum anderen war es unter der Benutzung nun modernster Beleuchtungstechnik auf einer Fläche von bisher zehn Hektar wichtig, den historischen, mythologischen Geist des Ortes zu erhalten und zu unterstreichen. Dazu zählen die Klarheit der Statuen und Vasen, die Qualität dieser Elemente, die gestalterischen Eigenschaften des Gartens, die Pflanzenwelt oder monumentale Architektur.

Für die Lichtdesigner war vor allem die Gestaltung französischer Gärten herausfordernd. Diese war stilprägend für Europa, sie unterscheidet sich zu englischen Landschaftsgärten oder italienischen Gärten. Die sogenannten Barockgärten wurden erstmals in Frankreich angelegt, sie folgen einem bestimmten System sowie detailliertem Dekorationsprogramm: Schloss, Parterre, Boskett und Wald – jeder Bereich für sich ist speziell.

Barockgärten wie der von Versailles verfügen oftmals über viel Fläche, sie sind verwinkelt, haben verzweigte Wegenetze und sind mit besonders vielen Details in jeglicher Hinsicht sowie mit symmetrischen als auch asymmetrischen Elementen gestaltet. Es ist in diesem Fall trotzdem gelungen, das Projekt unter lichtökologischen Kriterien erfolgreich zu gestalten: dank der photometrischen Präzision und fortschrittlicher Lichtsteuerung bieten die verwendeten, modernen Lichtquellen eine durchaus nachhaltige Lösung. Sie haben eine deutlich reduzierte Nennleistung, wodurch der Stromverbrauch gesenkt werden kann. Das bislang fertige Ergebnis verleiht den Gärten eine intime und gebührende Lichtatmosphäre – angepasst an die Geschichte und die Gegenwart des Ortes.

Bei allen politischen Fragwürdigkeiten, die der Absolutismus als politische Gesellschaftsform mit sich brachte, gilt es dankbar zu sein für die architektonischen Hinterlassenschaften, die wir nun in unserer heutigen Zeit genießen dürfen. Durch die Beleuchtung Laurent Fachards und dank der technischen Möglichkeiten gewinnt der Park nun an ästhetischer Qualität, die so noch nie möglich war. Allein das farbliche Zusammenspiel der blauen Stunde, der goldenen architektonischen Elemente und der Beleuchtung des Wasserspiels ist ein Genuss, dem man sich nicht entziehen kann. Die Kontraste der Anlage sind perfekt, die räumliche Definitionen durch die Beleuchtung eines Schauspiels würdig, die Aufmerksamkeit und Sorgfalt bei der Realisierung beispielhaft und atemberaubend. Als Betrachter kann man nur beeindruckt sein. Kurz und gut: ein Kunstwerk mit einer globalen Strahlkraft, die den Ort zum Zentrum der globalen Parkbeleuchtung macht.

Projektbeteiligte:

Auftraggeber: Château de Versailles Spectacles (CVS)
Lichtgestaltung: Laurent Fachard – Les Éclairagistes Associés
Licht- und Elektrotechnik:
Laurent Fachard & Joseph Frey – Les Éclairagistes Associés
Elektroinstallation: Citéos

Leuchten und Leuchtmittel: Eldoled, Mike Stoane Lighting, Crystal Fountains, Bega, Xicato, Cree, Citizen