Tuve Boutique hotel
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Ein serendipisches Erlebnis

Das Boutique-Hotel Tuve in Hongkong/CN in schwedischer Grundstimmung.

Die zentralen Fragen lauten: Wie entwickelt man ein solches unverwechselbares Hotel? Und: Woher kommt der Gedanke des Konzepts? Gedanke gleich Bilder. Bilder gleich Erfahrungen. Erfahrungen gleich Gefühle. Gefühle gleich Licht...

Das Boutique-Hotel Tuve in Hongkong liegt in einer ruhigen Gegend, in ausreichender Entfernung und doch in unmittelbarer Nähe zur belebten Innenstadt. Das Umfeld des Hotels bietet Gästen und Besuchern ein authentisches Hongkong-Erlebnis. Hier findet man Speiselokale und Restaurants, einen Markt, uralte Gebäude und Tempel – und alles vor der Naturkulisse von Hongkong Island. Das Hotel ist als Urlaubs- und Erholungsort für alle konzipiert, die aus dem Alltag ausbrechen wollen. Ankommende Reisende treffen auf eine stimmungsvolle Atmosphäre der Ruhe und Gelassenheit.

Das gesamte Hotelerlebnis – von der offiziellen Website, über den Social Media Auftritt, bis hin zum eigentlichen Aufenthalt – verkörpert und widerspiegelt die Ästhetik und Poetik der zugrundeliegenden Philosophie des Hotels. Es ist eine verborgene Schönheit, die darauf wartet, entdeckt und geschätzt zu werden.

Für die Architekten von Design Systems fing alles an, als der Bauherr sie ansprach und seine Idee eines Boutique-Hotels präsentierte. Er zeigte ihnen eine Bilder- strecke von einem See in Tuve bei Göteborg in Schweden – fotografisch festgehalten von Kim Høltermand. Die Architekten sollten die Stimmung sowie die ruhige und sinnliche Atmosphäre erfassen und eine Umgebung schaffen, die sich natürlich anfühlt und die die Fantasie der Hotelgäste auf positive und entspannte Weise an- regt. Die Fotos zeigten den Frühnebel über dem See, Sonnenschein und Schatten, Hügel, Bäume, Gesteine und Spiegelungen im Wasser.

Eine durchaus reizvolle Perspektive für die Projektplanung. Aber es gab ebenso etliche Herausforderungen: Sowohl der Bauherr als auch die Architekten verfolgten das Ziel, dass sich das Hotel von anderen unterscheiden soll. Demzufolge sollte die Gestaltung außergewöhnlich und einzigartig sein. Während "Luxus-Hotels" ihren Gästen ein besonderes Erlebnis anbieten, indem sie betonen, wie stark eine Luxus-Umgebung vom Alltag abweicht, ist "Luxus" als Stilrichtung in gewissem Maße stereotypisch geworden. Anstatt an alten Klischees zu klammern und einfach verschiedene extravagante Elemente zusammenzustellen, entschieden sich die Designer dafür, den Fokus auf reine Formen zu legen und die verwendeten Materialien im Originalzustand zu belassen. Ausgesuchte Materialien wurden einer besonderen Oberflächenbehandlung unterzogen und die Beleuchtung so geplant, dass die häufig verborgene Schönheit der Materialien neu entdeckt und betont wurde. Mit diesem Ansatz ist es den Architekten gelungen, genau die Emotionen anzusprechen, die sie ansprechen wollten, und durch die Hervorhebung der Schlichtheit und Aussagekraft als Alternative zum Mainstream einen Genius Loci für das Hotel zu entwickeln. Obwohl wirtschaftliche Aspekte nicht die treibende Kraft hinter dem Designkonzept waren, fand das Hotel nach seiner Eröffnung großen Anklang sowohl bei den Ortsansässigen als auch den Hotelgästen.

Licht ist eine Universalsprache und ist in der Lage, eine emotionale Reaktion bei Reisenden aller Kulturen, Altersgruppen und beruflichen Hintergründe hervorzurufen. Ob natürlich oder künstlich, bewusst eingesetztes Licht kann die besonderen Eigenschaften der Materialien zum Ausdruck bringen, Oberflächenstrukturen sanft unterstreichen, Details akzentuieren und Schattenbildung geschickt gestalten. In der Lobby kontrastieren die natürlichen Muster im weißen Marmorfußboden mit den vertikalen – und manchmal dramatischen – Schatten, die von den Trennwänden generiert werden. Die vorgefertigte Glasfaserbetonwand im Eingangsflur wird von der Sockelleiste aus beleuchtet, wobei die nuancierten Nahtstellen und Konturen subtil betont werden.

Die Beleuchtung der unterschiedlichen Hotelräume wurde bewusst gestaltet, um die Intention der Architekten zu unterstreichen, eine durchdachte Einfachheit auszustrahlen sowie die Räume als Überraschungsabfolge vor den Augen der Gäste entfalten zu lassen. Das Ziel war, den Entdeckungsgeist zu fördern und ein nachhaltiges Hotelerlebnis zu schaffen, wobei Gedanken und

Emotionen kommen und gehen wie die Wellen auf dem Meer. Die Räume und die Details entfalten sich Schicht für Schicht und der Hotelgast erlebt seinen Aufenthalt als eine Möglichkeit des serendipischen Entdeckens.

Das Restaurant Silver Room wurde ebenfalls minimalistisch gestaltet und passt sich so an das Designprinzip des 66 Zimmer zählenden Boutique-Hotels an. Die „Zutaten“ für das Design waren Kunststoff, Stahl und Holz, abgeschmeckt mit Licht und Schatten. Genauso wie ein Koch sich Mühe gibt, den Erwartungen des Restaurantgastes gerecht zu werden – ob Hausmannskost oder erlesene kulinarische Köstlichkeiten – so haben die Designer die Materialien und ihre Anwendung gewählt, um dem Silver Room einen eigenen Charakter zu verleihen.

Kunststoff wird nicht häufig als Baumaterial verwendet, ist aber eins der gängigsten Materialien, mit denen wir tagtäglich in Berührung kommen. Im Restaurant bestehen die Wand- und Deckenverkleidungen aus feuerfestem wiederverwertbarem Kunststoff. Spezifiziert haben die Architekten ein umweltfreundliches Material aus Kunststoff-Mahlgut, das durch Mattierung ein spannen- des Erscheinungsbild gewinnt. Die Kunststoffplatten sehen anders aus, je nachdem ob sie von vorne oder von hinten beleuchtet werden. Da sich das Restaurant auf Straßenebene befindet, dringt das Sonnenlicht zu bestimmten Stunden im Laufe des Tages in den Raum ein. Durch natürliches Licht bei Tage und künstliches Licht am Abend werden zwei unterschiedliche Atmosphären erlebbar gemacht, welche wiederum die Speisen zum Mittag- und Abendessen begleiten.

Licht und Schatten werden eingesetzt, um die ungewöhnliche Kombination aus Stahl und Kunststoff zu unterstützen. Die kleinen Bäume aus Stahldraht sind auf den Thekenschränken aus massivem Teakholz montiert, als schwebten sie im Raum. Ihre unregelmäßige Struktur bietet einen witzigen Kontrast zur sauberen Geometrie des Raums. Tagsüber wirkt das Restaurant hell und freundlich, wie ein lichtdurchlässiger Kasten. Es ist sogar möglich, die Umrisse von manchen elektronischen und mechanischen Bauteilen hinter den Kunststoffplatten zu erkennen. Nach Einbruch der Dunkelheit verleihen die Schatten, die sich kreuzweise im Raum verteilen, eine besondere Dramatik. Die Kombination von Materialien und Oberflächen bleibt, aber die Lichtverhältnisse bei Tag und Nacht liefern zwei komplett andere "Noten". ("Geschmacksrichtungen")

Hongkong ist weit von Schweden entfernt – über 8000 Kilometer, um genau zu sein. Was auch immer es war, das den Bauherrn inspiriert hat, dieses Hotel bauen zu wollen, es scheint die Vorstellungskraft der beauftragten Architekten erfolgreich erfasst zu haben. Licht spielt eine wesentliche Rolle bei den Projekten von Design Systems. Häufig entwickeln die Designer Sonderleuchten und ausgefallene Lichtlösungen für ihre Projekte.

Im Falle des Boutique-Hotels Tuve wurde nur LED- Beleuchtung eingesetzt. Was hätte es ausgemacht, wäre ein Lichtdesigner im Team gewesen? Einen erheblichen Unterschied sicherlich. Würden kreative Architekten die Erfahrung und Expertise eines Lichtspezialisten bei ihrer Planungsarbeit einbeziehen, können die Ergebnisse ihrer professionellen Planungen nur noch überzeugen- der und glaubhafter sein. Der Wert des professionellen Lichtdesigners ist nicht zu unterschätzen.

 

Projektbeteiligte:

Architekten: Design Systems

Projektteam: Wai Ming Lam, Wing Kin Kent Wong, Wai Fung Phoebe Chu, Xing Zhang, Kin Lung Kurt Chung, Huanhuan Fang